Sondervermögen im Gesundheitswesen: Milliarden auf Pump statt echter Reform?

Die zukünftige Bundesregierung plant ein umfangreiches „Sondervermögen Infrastruktur“ von bis zu 500 Milliarden Euro, um marode Bereiche wie Verkehr, Energie – und auch das Gesundheitswesen – zu modernisieren. Das Geld soll schnell verfügbar sein und binnen zehn Jahren in die Infrastruktur fließen – Krankenhäuser ausdrücklich eingeschlossen. Um die verfassungsrechtliche Schuldenbremse zu umgehen, soll das Sondervermögen im Grundgesetz verankert und von der Schuldenregel ausgenommen werden.
Faktisch verschafft sich der Staat damit neuen finanziellen Spielraum durch Kredite. Mit anderen Worten: Das Sondervermögen besteht nicht aus vorhandenem „Vermögen“, sondern aus frischem Kreditgeld, das langfristig zurückgezahlt werden muss. Zudem soll die Schuldenbremse für die Bundesländer gelockert werden, sodass sie wie der Bund Kredite in Höhe von bis zu 35 % des nominalen BIP aufnehmen können.

    🔎 Gesetzentwurf zur Änderung der Schuldenbremse: LTO.de

    Ein „Durchbruch“ oder eine Scheinlösung?
    Gesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßt diesen Schritt ausdrücklich als „Durchbruch“. Nach über zehn Jahren Sparen bei Krankenhausinvestitionen sei es höchste Zeit für einen Modernisierungsschub. Die Milliarden aus dem Sondervermögen könnten gezielt im Rahmen der geplanten Krankenhausreform eingesetzt werden, „um den jetzt notwendigen Transformationsprozess zu bewältigen“. Wichtig sei, nicht veraltete und ineffiziente Strukturen künstlich am Leben zu erhalten, sondern in eine moderne Gesundheitsversorgung zu investieren. (Quelle: KMA Online)

    Dennoch bleiben viele Fragen offen. Erste Formulierungen lassen unklar, wie genau die Mittel ins System fließen sollen. Besonders strittig ist, ob der Bund die Gelder direkt in den Krankenhaus-Transformationsfonds einspeist. Genau das fordern die gesetzlichen Krankenkassen vehement.
    Jens Martin Hoyer, Vizechef des AOK-Bundesverbands, sieht das Finanzpaket zwar als „starkes Signal“, warnt aber: „Allerdings ist noch unklar, ob die zusätzlichen Bundesmittel direkt in den Transformationsfonds fließen. Wir fordern das ausdrücklich.“ Seine Begründung: Die ursprünglich geplante hälftige Finanzierung des Transformationsfonds durch die GKV sei verfassungswidrig, denn Investitionen in die Krankenhausstrukturen seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und „sollten daher aus Steuermitteln bezahlt werden“. (Quelle: AOK.de)


    Hier zeigt sich bereits eine der größten Kontroversen: Wer soll am Ende für die Klinikmodernisierung zahlen – Steuerzahler oder Beitragszahler?

    Kritik am Begriff Sondervermögen: Neuer Anstrich für neue Schulden
    Auch der Begriff „Sondervermögen“ stößt auf Kritik. Finanzminister Christian Lindner prägte ihn in der letzten Legislaturperiode für das 100-Milliarden-Euro-Bundeswehrpaket – sehr zum Unbehagen vieler Ökonomen und Journalisten. Denn tatsächlich handelt es sich „eben nicht um ein Vermögen, sondern um eine sehr, sehr große Ausgabe über einen langen Zeitraum“, wie es ein Hauptstadtjournalist treffend formulierte. (Quelle: Deutschlandfunk.de)
    Auch im aktuellen Fall gilt: Das Gesundheits-Sondervermögen bedeutet einen Modernisierungsschub „auf Pump“, wie die Ärztezeitung es treffend formuliert. (Quelle: Aerztezeitung.de)
    Kritiker bemängeln – aus meiner Sicht zu Recht, dass solche Sondertöpfe die Transparenz der Haushaltsführung untergraben. Statt offen im Etat zu zeigen, dass Ausgaben über Kredite finanziert werden, schafft man einen Nebenhaushalt mit einem positiv klingenden Namen. Doch die Wahrheit bleibt:
    Sondervermögen ist kein Vermögen – es sind Schulden.
    Fehlende Strukturreformen: Pflaster statt Heilung?
    Genau hier setzt die Hauptkritik vieler Experten an: Die milliardenschwere Finanzspritze darf nicht von notwendigen Strukturreformen ablenken.


    ❌ Geld alleine löst keine Systemprobleme. Im Gegenteil, leicht verfügbare Milliarden könnten den Reformdruck mindern und ein „Weiter so“ begünstigen – mit dem Risiko, dass ineffiziente Strukturen weitergeführt werden.


    🔹 Die gesetzlichen Krankenkassen warnen ausdrücklich davor, überfällige Reformen nun weiter zu verzögern. Stefanie Stoff-Ahnis vom GKV-Spitzenverband betont: „Der Umbau der Krankenhaus-Infrastruktur ist und bleibt eine Staatsaufgabe.“ Trotz aller Finanzhilfen „muss nun schnell gehandelt werden“, so Stoff-Ahnis. (Quelle: vdek.com)


    🔹Ulrike Elsner (vdek) fordert: „Bevor Gelder aus dem Sondervermögen fließen, muss geklärt sein, welche Krankenhäuser auch in Zukunft einen Versorgungsauftrag erhalten sollen.“ Nur bedarfsgerechte Kliniken dürften am Ende gefördert werden. (Quelle: vdek.com)

    Diese Statements unterstreicht die Sorge: Ohne strukturelle Bereinigung würde der Finanzregen bloß das Status quo konservieren – eine Symptombehandlung, kein Heilmittel.
    Fazit: Es darf nicht sein, dass wir Milliarden Auf Pump ins marode System kippen und uns damit zufriedengeben. Ein nachhaltig gesundes Gesundheitssystem erfordert mehr als Geld – es braucht politischen Willen und Mut zur echten Veränderung:

    Sektorengrenzen weg,
    keine Krankenhausreform sondern eine echte Gesundheitsreform
    und es darf auch mal weh tun, damit es am Ende gut wird.
    Meine Meinung: Bleibt eine Gesundheitsreform aus, ist das Sondervermögen nur ein teures Pflaster auf einer chronischen Wunde.
    🎙️ In Kürze: HealthCareBrain-Podcast: Reform statt Dauer-Subvention mit Dr. Francesco De Meo
    Was sollte eine echte Reform umfassen? In Kürze gibt es dazu einen spannenden Podcast mit FrancescoDeMeo, ehemaliger Fresenius-Vorstand. Ich spreche mit ihm über sein Buch „Den schlafenden Riesen wecken“ und darüber, warum wir keine halbherzige Krankenhausreform, sondern eine echte Gesundheitsreform brauchen.
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    Den Podcast gibt es natürlich auch bei Apple und allen anderen Plattformen.

    📌 Quellenverzeichnis:
    Sondervermögen: Erste Formulierungen lassen Details zur Finanzierung offen (Aerzteblatt)
    Union und SPD: Sondervermögen Infrastruktur auch für Krankenhäuser (KMA Online)
    Statement Hoyer: Krankenhausreform und Sondervermögen (AOK Bundesverband)
    Die Details zu den geplanten Grundgesetzänderungen (Legal Tribune Online)
    Weitere Quellen: Deutschlandfunk.de, Tagesspiegel Background, vdek.com

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