Meine Gedanken zum Recruiting
Mitarbeiter (M/W/D) gewinnen und zu Ihrem besten Selbst entwickeln.
Wir alle sind gefangen in unseren Vorstellungen von der Welt. Wir greifen auf unsere Erfahrungen zurück, sind an unsere Normen und Werte gebunden.
Keiner ist frei davon! In der Psychologie sind zahlreiche Effekte der Wahrnehmungsverzerrung untersucht. (Kurz und bündig zum Nachlesen: http://personalityexperts.de/2014/09/04/die-10-wichtigsten-wahrnehmungsfehler-und-wie-sie-sich-aktiv-schutzen-konnen/ ). Auch die Neurowissenschaften haben das Phänomen des Predictive Codings(https://lexikon.stangl.eu/25321/predictive-coding-theorie) intensiv untersucht.
Die häufige Folge: wir suchen Kandidaten und Kandidatinnen aus, die zu unserem Weltbild, zu unseren Erfahrungen oder auch Vorurteilen passen und die uns als Persönlichkeit ähnlich sind. Ist dies das Beste für die Organisation: Manchmal vielleicht, häufig aber sicher nicht! Komplexe Organisationen brauchen Vielfalt, um die schwierigen Aufgaben zu bewältigen.
1. Passende Persönlichkeit für den Job finden.
Wir müssen anerkennen, dass es sehr unterschiedliche Persönlichkeitstypen gibt und gerade in komplexen Organisationen gibt es für jeden das passende Betätigungsfeld: ein Buchhalter ist nun mal ein ganz anderer Typ als ein leidenschaftlicher Marketingmensch. Ein Grundlagenforscher ist völlig anders als ein Chirurg.
Einen kostenlosen sehr hilfreichen Persönlichkeitstest findet ihr hier: https://www.16personalities.com/de/kostenloser-personlichkeitstest
Grundregel 1: Vor der Stellenbesetzung genau überlegen, welche Eigenschaften, welche
Persönlichkeit eine Person mitbringen sollte und für die Erfüllung der Aufgabe braucht. Es kann passieren, dass die beste Person für eine Aufgabe jemand ist, den man persönlich unsympathisch findet, weil man selbst einfach ein ganz anderer Typ ist. Aber: es geht um das Beste für die Organisation, nicht um eine persönliche Freundschaft fürs Leben.
Grundregel 2: Und eine komplexe Organisation ist umso erfolgreicher, je besser es uns gelingt die vielfältigen unterschiedlichen Persönlichkeiten auf die idealen Jobs zu bringen.
2. Mehrere Gespräche führen
Die meisten Menschen schaffen es sich eine gewisse Zeit so zu verhalten, wie sie glauben, dass es von ihnen erwartet wird. Ein erstes Vorstellungsgespräch gut geübt schafft jeder. Ich habe mindestens immer zwei Gespräche geführt, manchmal auch drei. Warum? Den Kandidaten/-innen fällt es schwer sich in unterschiedlichen Settings und mit unterschiedlichen Teilnehmer zu verstecken. Mein Ziel war es immer, das wahre Potential, die wahre Persönlichkeit des Menschen, der vor mir sitzt zu verstehen.
3. Leidenschaft testen und Fachwissen testen
Spätestens im dritten Gespräch habe ich eine schwierige Aufgabe gestellt. Oft auch eine, die nicht zum Fachwissen des Kandiaten/Kandidatin passt. Warum? Dies zeigt, ob sich jemand einarbeiten kann und möchte. Wie man mit unbekannten Herausforderungen umgeht und ob man sich auch eingestehen kann, dass man nicht alles weiß. Komplexe Organisationen brauchen Menschen, die in der Lage sind mit Unsicherheit und unbekannten Herausforderungen umzugehen. Menschen, die wissen, dass sie nicht alles wissen und damit souverän und respektvoll umgehen.
Außerdem: Diese „unlösbare“ Aufgabe setzt Kandidaten/-innen unter Stress und unter Stress fallen die Masken.
4. Andere Persönlichkeiten und zukünftige Teammitglieder einbinden
Die eigene Wahrnehmung kann man auch gut korrigieren indem man andere Persönlichkeiten in die Auswahlgespräche einbindet. Beispielsweise: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die bereits in dem Bereich arbeiten. Oder Personen, die völlig anders ticken als man selbst.
Eine gute Führungskraft sieht weder Geschlecht, noch Hautfarbe noch macht sie sich ein Bild über das aktuelle Auftreten (schönes Kostüm, toller Anzug, super Frisur oder auch das Gegenteil furchtbares Outfit, Grauenvolle Frisur).
Es geht darum, dass man es schafft sich auf das Potential – auf das echte Selbst eines Menschen- zu konzentrieren, dass in einem Menschen steckt. Häufig genug bleiben Menschen weit hinter ihrem Potential zurück, weil sie es nicht kennen oder weil sie glauben sich einem Raster anpassen zu müssen.
Es ist die Aufgabe von Führungskräften, das Maximum aus jedem Mitarbeiter/-in rauszuholen. Sein Potential zu erkennen und zu fördern.
5. Aufgaben übertragen, die nichts mit den Wünschen der Person zu tun haben
Ich habe immer in meinen Traineeprogrammen den Trainees Aufgaben übertragen, die sie sich überhaupt nicht vorstellen konnten. Im Vorstellungsgespräch habe ich immer gefragt, wo wollen Sie denn mal nicht landen? Jeder hatte so seine persönlich individuell furchtbaren Vorstellungen von IT-Abteilungen, dem Bau oder auch dem Personalbereich. Der erste Einsatz war dann dort, wo man es sich gar nicht vorstellen konnte und siehe da: Ich und die Trainees haben ganz neue Potentiale entdeckt. Das funktioniert übrigens auch in der Pflege. Durch Corona war plötzlich ein maximal flexibler Einsatz erforderlich und manche haben in dieser Zeit ganz neue Leidenschaften entdeckt und sind von der Normalstation auf die Intensivstation gewechselt.
Ja ich weiß: Zeit ist Geld und wenn ich die Leute was ausprobieren lasse, dann fehlt mir die Person an ihrem jetzigen Arbeitsplatz. Ja mag sein, aber wenn man gemeinsam ein ganz neues Potential entdeckt, dann bekommt die Person und die Organisation Flügel und beide wachsen über ihre Grenzen hinaus. In einer komplexen Organisation braucht man Talente, die viele Jahre für die Aufgabe brennen, also was sind ein paar Monate für ein Experiment.
Denkt immer dran: Manchmal kommt ein ungeheures großartiges menschliches Potential in einer für Dich seltsam anmutenden Verkleidung daher. Aber es geht nicht um Äußerlichkeiten, es geht nicht um die Kunst des guten Schauspiels. Es geht darum das gesamte Potential des Bewerbers/ der Bewerberin zu erfassen.
Viel Glück bei der nächsten Personalauswahl. Traut den Menschen zu, dass jeder über sich hinauswachsen kann und eigentlich auch will. Verleiht den Menschen Flügel und Eure Organisation wird auch fliegen.